Beschreibung
Der deutsche (Post-)Punk fand nicht nur in Düsseldorf, Hamburg und Berlin statt. Mit ein, zwei Jahren Verspätung erreichte er die Provinz, wo an unwahrscheinlichen Orten wie Limburg, Varel, Kulmbach oder Verden noch unwahrscheinlichere Anlaufstellen für die abtrünnige Jugend entstanden.
Auch um die schwäbischen Metropole Stuttgart (wo es eher ruhig blieb) bildeten sich produktive Zentren. In Pforzheim und Reutlingen. Oder in Tübingen, wo von knapp 20.000 Studierenden nur eine Handvoll mitbekommen hatte, dass da draußen eine kulturelle Revolution im Gange war.
Je weniger Leute verfügbar waren, desto mehr Bands mussten sie gründen, um all die neuen Klänge und Ideen auszuprobieren.
Die meisten davon waren eher potemkinsche Dörfer als aktive Gruppen. In Tübingen hießen sie Autofick, Zimt, Gäste Aus Ungarn, Moralische Entrüstung oder Attraktiv & Preiswert.
Das wichtigste Organ des Tübinger Untergrunds war die Familie Hesselbach, die sogar eine richtige Band war. Sie konnte außerhalb des eigenen Postleitzahlenbereichs auftreten, die allerneusten Einflüsse adäquat verarbeiten, die durch Zeitschriften wie Sounds und Spex bis nach Tübingen gelangt waren und musste sich auch nicht zwischen dem Krach-Jazzfunk der Contortions und dem DIY-Pop der Times entscheiden. Die Familie Hesselbach konnte nämlich beides.
Die Kassette „Froh zu sein“, mit der die Familie Hesselbach im Frühjahr 1982 in interessierten Kreisen von sich reden machte, fängt die produktive Unruhe, die über ausgewählte Vertreter_innen der deutschen Provinzjugend hereingebrochen war, daher sehr genau und vermutlich sogar besser ein als die ein paar Monate später produzierte LP (PlayLoud! 2020). Wir veröffentlichen sie zusammen mit den Stücken vom „8-Ep-Sampler“ (1983) und ausgewählten Soloaufnahmen von Handke Hesselbach (1959-2019). Die Mini-LP „Süddeutschland“ plus die letzte Kassette wird die Discographie voraussichtlich 2024 abschließen.